Einleitung

Über die Siedlungsgeschicht und Dorfgründung ist nur wenig überliefert. Im 16. Jahrhundert werden die Dörfer Launessieta und Ruduprastt zusammengelegt.

1557 wird der Ort Jutzschentta, Jutzwethen bzw. Jutzschwethen genannt. Der Ortsname kann aus dem Namen des dunkel aussehenden ersten Zinsers "Jotze" bzw. "Joduz" entstanden sein, wahrscheinlicher ist jedoch die Beschreibung des hier vorzufindenden Humusbodens, die sogenannte Schwarzerde, worauf auch der Name Judlaukis (preußisch für Schwarzacker) deutet.

1590 wird der Ortsname "Jutschen" geschrieben. In verschiedenen Urkunden wurde der Ort auch mit Judlaukis, Jüducze, bzw. Jodszen bezeichnet.

1615 wird in Urkunden der Ortsname "Juzchen" geschrieben.

Ab 1620 etabliert sich die Schreibweise "Judtschen". Vom 17. bis 19. Jahrhundert finden sich in den verschiedenen Urkunden überwiegend die Schreibvarianten "Judtschen", "Judschen" und "Jutschen".

Geschichtlicher Überblick

In Preußen ist der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (reg. 1640 - 1688) von seinem Sohn Kurfürst Friedrich III. (reg. 1688 - 1701) abgelöst worden.

1701 krönt sich Friedrich (III.) I. in Königsberg i.Pr. als König in Preußen und regiert sein Land von 1701 bis 1713.

1708/1709 Bedingt durch den strengen Winter, ist die Wintersaat in Ostpreußen vernichtet. So herrscht im Sommer eine Hungersnot.

1709 - 1710 wütet die von Polen kommende Pest in Ostpreußen, die unter der ausgehungerten Bevölkerung ein Massensterben anrichtet. In den Ämtern Insterburg, Ragnit, Tilsit und Memel sind 8.411 Bauernstellen verödet und ganze Landstriche liegen wüst da. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung Ostpreußens fällt der Seuche zum Opfer. 10.834 Bauernhöfe sind ausgestorben. Allein im Amt Insterburg sind davon 4.620 frei. In Berlin gründet daraufhin die Regierung eine Kommission zur Wiederbesiedlung des preußischen Königreiches. Von Ilgen und Burggraf Alexander von Dohna bemühen sich um die erneute Besiedlung.

1711 (20. September) erlässt der preußische König Friedrich I. ein Patent um besonders Schweizer Siedler herbeizurufen. Die Schweizer sind im Gegensatz zu den Hugenotten, die aus Glaubensgründen ins Land kamen, allerdings mehr aus wirtschaftlichen Gründen nach Preußen eingewandert. Die ersten Schweizer siedeln bereits 1710 in den Orten Pieragienen, Gumbinnen, Judtschen, Mixeln und Szemkuhnen. Ihnen folgen ab 1711 Hugenotten aus der Uckermark. Die reformierten Schweizer und Franzosen kamen in ein rein lutherisches Land. So ist es für sie neben ihrer nackten Existenz wichtig, eine Versorgung mit reformierten Predigern und Gotteshäusern zu veranlassen. Es existiert bei der Ankunft der Kolonisten schon eine kleine reformierte Kirche und Gemeinde in Insterburg (seit 1701); dort predigt der deutsche Pfarrer König und so können die französisch sprechenden Siedler dem Gottesdienst nicht folgen. Dennoch sind die ersten Tauf- und Traueintragungen dieser Jahre in den Registern von Insterburg zu suchen. Die ersten Gottesdienste hält Pfarrer König in der Kirche von Sadweitschen. Bedingt durch das Sprachproblem sendet Dohna den französisch reformierten Prediger du Plessis dorthin. Die Gemeinde blüht auf und bis zu 600 Kommunikanten nehmen an den Abendmahlsfeiern teil.

1713 übernimmt der Sohn König Friedrich Wilhelm I. (1713 - 1740), der als "Soldatenkönig" in die Geschichte eingeht, die Regierungsgeschäfte. Der preußische Offizier und der preußische Beamte sind seine Schöpfungen. Das von seinem Vater begonnene "Retablissement", die Wiederbesiedlung des zwischen 1709 - 1710 verödeten Ostpreußens, ist sein persönliches Werk.

1714 werden auf Drängen der Schweizer zwei reformierte Kirchen neu gegründet: die französische in Judtschen und die deutsche in Sadweitschen. In Sadweitschen wird Pfarrer Wassmuth eingesetzt. Bei den großen Entfernungen kommt es aber durchaus vor, dass Deutsche nach Judtschen und Franzosen nach Sadweitschen gehen.

(13.01.) Erster Prediger der Gemeinde Judtschen ist David Clarene, er wird zum "ordentlichen Prediger der Reformierten Evangelischen französischen schweizerischen Gemeinde" im Amt Insterburg berufen. Ein bestimmter Amtssitz wird ihm also nicht zugewiesen und die königliche Approbation vom 12.&xnbsp;Dezember 1713 fügt noch ausdrücklich hinzu: "Jedoch daß es uns frey bleibe, nach Gelegenheit der Zeiten, solche zu ändern, zu verbeßern oder auch gar abzuthun." Infolgedessen muss sich der Prediger Clarene später eine Versetzung gegen seinen Willen gefallen lassen.

David Clarene, ein Réfugié aus Coppet (nördlich von Genf), wird dem Grafen von Dohna empfohlen. Zu Puilaurens in der Provinz Languedoc (westlich vom Unterlauf der Rhone) geboren, hatte er sich in der Schweiz naturalisieren lassen, war Bürger von Lausanne und stand im Alter von etwa 30 Jahren. Vor Antritt seines Predigtamts war er Hauslehrer in vornehmen Familien. Er hatte sich eine gute theologische und philosophische Bildung angeeignet, ist 1712 ordiniert worden und stand in dem Rufe, ein klarer, eleganter Prediger zu sein. Der Bericht vergisst nicht hervorzuheben, dass er einen robusten Körper besaß und noch unverheiratet sei. Bevor er zum Amte Insterburg kam, war er als Suffragant (Hilfsprediger) im Dorfe bei Yverdun (Kanton Waadt) tätig.

1714 (9. Januar) trifft Clarene in Insterburg ein und predigt dort zum ersten Male am 14. Januar. Bald darauf begibt er sich auch nach Judtschen, seinem künftigen Amtssitz. Hier wird ihm ein altes aber geräumiges Gebäude zugewiesen, in dem nun auch der Gottesdienst stattfindet, und zwar in einem Raume, "wo sonst der Holzschreiber seine Bierschenkstube gehabt". Dort treffen sich auch Familienmitglieder Loyal und weitere Ansiedler aus Szemkuhnen und Umgebung. Die französische Schweizerkolonie, wie sie amtlich meist genannt wird, steht unter dem französischen Ober-Konsistorium und erhält nach einer Anordnung des Jahres 1717 die Verfügungen desselben durch das Konsistorium der französischen Kirche von Königsberg, damit die Veröffentlichung in beiden Gemeinden gleichzeitig stattfinden kann. Zu diesem Zweck erhält die Königsberger Kirche stets zwei gleich lautende Exemplare aller Verfügungen.

Seit 1714 predigt Clarene in Judtschen ausschließlich in französischer Sprache, da er, wie er selbst erklärt, nicht in der Lage ist deutsch zu sprechen. Der Anteil der deutschen Gemeindemitglieder nimmt zu und es kommt in der Folgezeit zu Sprachproblemen. Um hier einen Konflikt zu verhindern, schlägt daher Burggraf zu Dohna vor, auch die französische Gemeinde unter die deutsche Inspektion zu setzen.

1720 bitten die Schweizer Kolonistenfamilien den König um die Anstellung eines französisch sprechenden Predigers in Budszedszen, da die kirchliche Versorgung von Judtschen aus unzureichend ist.

1722 wird die Kirche in Judtschen dem Direktorium der deutsch-reformierten Kirche untergeordnet. Als Begründung führt Dohna an, dass sie (die franz. Gemeinde) "nicht aus französischen Réfugiérten, sondern aus Schweizern besteht".

Bereits am 31. März 1722 hatte Dohna in Gemeinschaft mit Schrottberg ein so genanntes Interims-Avertissement erlassen, das unter Punkt 4 folgende Bestimmung enthält: "Die Kinder, die nach einem anderen Katechismus angefangen haben zu lernen (die franz. nach Drelincourt), sollen dabei bleiben, die neu angefangenen Kinder aber sollen nach dem Heidelberger Katechismus unterrichtet werden (die franz. Kinder nach dessen franz. Übersetzung)."

1722 (6. April) Aus dem Kirchdorf Pisserkeim wird die Altstadt Gumbinnen gegründet. Dort gibt es seit 1709 eine "Französische Schweizer Kolonie", die nach 1713 vom französisch reformierten Prediger aus Judtschen betreut wird.

1726 der König fährt durch das Dorf Judtschen und lässt sich den Prediger rufen und befragt ihn, ob er auch Deutsch predigen könne. Derselbe antwortet, dass seine Majestät ihn aus Genf berufen habe, um den französischen Schweizern zu predigen, dass er nicht deutsch gelernt habe. Der König erwidert, er wünsche hier einen Geistlichen zu haben, der fähig sei in beiden Sprachen zu predigen. Clarene sollte deshalb versetzt werden. In Berlin angekommen befiehlt der König die Sache zu ordnen; es erscheint folgende Order: "Seine Königl. Majestät in Preußen unser allergnädigster Herr pp. habe in Litauen eine Reformierte Schweizer Kirche aufbauen laßen, es ist auch der Prediger bey derselben ein guter Mann, allein die Gemeinde beschweret sich, daß er nicht Teutsch predigen kann. Wie dann auch derselbe gegen Sr. königl. Majestät selbst gesaget, daß er der Teutschen Schprache nicht so vollkommen mächtig sey, dannenhero befehlen sie dem Reformierten Kirchen-Directorio hiermit in Gnaden bemeldeten Prediger eine andere gute Pfarre zu geben, und hingegen in seinen Platz nachher in Jutschen einen andern Prediger hinzusetzen, der teutsch und französisch predigen kann. Berlin, den 1. Juli 1726. Friedrich Wilhelm."

1727 (27. April) wird die franz. ref. Kirche in Judtschen eingeweiht. Sie ist die erste "französische Kirche" in Preußen. Ein Kirchbau war bereits 1713 geplant und 1721 vom König genehmigt, doch der Bau erfährt viele Verzögerungen und kommt erst in den Jahren 1725 bis 1727 zustande. Schultheiß von Unfried, der mit der Überwachung aller im Rahmen des "Ratablissements" durchzuführenden Baumaßnahmen beauftragt ist, wirkt bei der Gestaltung des Bauplans mit, während Preußen den größten Teil der Kosten übernimmt. Der Plan der Kirche richtet sich nach der Göritter Kirche. Die Gemeinde muss ihren Beitrag durch tätige Mithilfe bei der Beschaffung und Bearbeitung der Baustoffe leisten. So entsteht ein rechteckiges Ziegelgebäude in den Ausmaßen von 44 x 94 Fuß (1&xnbsp;Fuß = 12 Zoll, 1 Zoll = 2,54 cm).

1728 (29.01.) Pfarrer Daniel Andersch wird in Berlin für Judtschen ordiniert. Der König von Preußen hat ihn hierzu bereits am 1. November 1728 ernannt.

1729 (6. Januar) Das Sprachproblem verschärft sich in Judtschen. Die französisch sprechenden Familien fordern, daß die Predigt in ihrer Muttersprache gehalten wird. Es werden durch die beiden Kirchenältesten André David und Abraham Besson Unterschriften für ein Bittgesuch an den König gesammelt. Den Sprachstreit beendet König Friedrich Wilhelm I. (1713 - 1740) und weist den Protest mit dem "Marginal" zurück: "Soll der teutsche in Judtsche bleiben". Im Vorwort der Beschwerdeschrift heißt es: "Liste des cheff de famille, qui supplie tres humblement Le Roy de leur accorder un ministre francoise, qui u'entendent point la langue allemande et des enfans de l'eglise suisse francoise." Ein weiteres Blatt trägt die Überschrift: "Liste des communians de l'Eglise Suisse-francoise de Judtschen." Nachdem 1729 Clarene nach Bernau versetzt war, vertieft sich das Sprachproblem in Judtschen. Als Gumbinnen 1724 Stadt wird, vertritt Baudirektor von Unfried die Ansicht, daß es richtig wäre, die Kirche für französisch Schweizer in Gumbinnen statt in Judtschen zu bauen. Unfried geht noch einen Schritt weiter und schlägt vor, auch das Projekt, eine Kirche in Sadweitschen zu errichten, fallen zu lassen und für die deutschen und franz. Schweizer eine gemeinsame Kirche in Gumbinnen zu bauen. Clarene, dem das Landleben nicht behagt, ist mit Unfrieds Plan vollkommen einverstanden, hatte er doch schon 1716 die Eingabe der Parochien Piesdehlen und Budszedszen unterstützt, die sich bei Dohna darüber beklagt hatten, daß die Kirche nach Judtschen kommen solle, wohin nach seiner Meinung in der Judtschener Gegend nur 20 Familien seiner bedurften, jenseits der Angerapp aber 160 Familien wohnten, die nicht französisch verstünden. Die Spannungen lösen sich erst nach Errichtung der Kirche in Gumbinnen-Neustadt (1739), indem sich die französischen Kolonisten der dortigen französisch-reformierten Gemeinde anschließen. Der Prediger dieser Kirche Jean Pierre Remy hält zudem alle Vierteljahre in Judtschen eine Predigt in französischer Sprache. Rühmend soll festgehalten werden, daß Pfarrer Daniel Andersch (tätig ab 1729 - 1736) sich bemühte, die französische Sprache zu erlernen, um auch in dieser Sprache predigen zu können.

1729 (09.05.) Clarene wird nach Bernau (nordöstlich von Berlin) "translocirt".

1731 Die franz. ref. Gemeinde von Gumbinnen wird gegründet. Die Kirche erhält einen eigenen Prediger, Pierre Remy. Kriegs- und Domänenrat Joachim Ludwig Schultheiß von Unfried entwirft nicht nur den Stadtplan von Gumbinnen, sondern auch den Bauplan der dortigen reformierten Kirche.

1736 - 1739 entsteht in der Neustadt von Gumbinnen die reformierte Kirche. Dort wird bis ins 19. Jahrhundert neben der deutschen auch in französischer Sprache Gottesdienst gehalten. Prediger Pierre Remy ist zugleich auch in Judtschen tätig und predigt dort zwischen 1731 - 1740 an vier Sonntagen im Jahr in französischer Sprache.

1737 Die 1633 rechteckig erbaute lutherische Kirche in Ischdaggen erhält einen halbrunden Choranbau. Die alte Kanzel und der Altar aus der ersten Erbauungszeit werden zum Kanzelaltar vereinigt.

1739 (1. März) In Gegenwart des Königs und des Fürsten von Dessau wird die Neustädter Kirche durch den Hofprediger Crichton aus Königsberg eingeweiht.

1739 wird die deutsch-reformierte Kirche von Sadweitschen ebenfalls nach Gumbinnen verlegt. Judtschen verliert für die Franzosen dadurch an Bedeutung, so betreut ab 1792 ein deutscher Prediger die Gemeinde. Die französisch sprechende Bevölkerung bevorzugt daher die Kirche in Gumbinnen.

1740 Friedrich II., auch 'Friedrich der Große' oder der 'alte Fritz' genannt (reg. 1740 - 1786) besteigt als Herrscher von Preußen den Thron (Abb. 55). Sein Ausspruch, aus dem der Geist Voltaires spricht, dringt bis nach Judtschen: "Die Religionen müssen alle tolerieret werden, daß keine der anderen Abbruch tut, denn hier muß ein jeder nach seiner Façon selig werden." Die beiden Schlesischen Kriege (1740 - 1742 und 1744 - 1745) sind noch nicht vergessen, da beginnt der 'Siebenjährige Krieg' (1756 - 1763) und in den anderen Ländern der Wettkampf der Kolonialmächte um Amerika und Indien. Preußen beginnt den Aufstieg zur Großmacht.

1744 Die französisch reformierte Kirche von Gumbinnen-Neustadt erhält ein Geläut von vier Glocken.

1747 (13.8.) Kontrakt der Gemeinde mit dem Prediger Andersch, dass dieser alle drei Wochen am Sonntag, an jedem zweiten Feiertag eine franz. Predigt halten und viermal im Jahr das Abendmahl spenden wird.

1747 - 1750 Der bekannte Königsberger Philosoph Immanuel Kant, lebt als 'studiosus philosophiae' bei Pfarrer Andersch in Judtschen und arbeitete dort als Hauslehrer. Daß Kant in enger Verbindung mit den Dorfbewohnern stand, zeigt das Taufregister von Judtschen, wo er 1748 zweimal als Pate aufgeführt ist.

1756 - 1763 Siebenjähriger Krieg.

1758 Die Kosaken fallen in Ostpreußen ein. Diese Gefahr wird abgewendet.

1763 Friedrich II. kehrt als Sieger aus dem Krieg heim. Fast eine Million Kämpfer der verschiedendensten Nationen bleiben auf den Schlachtfeldern dieses Krieges, 150.000 davon sind Preußen.

1770 (18.12.) schreibt König Friedrich II. (der alte Fritz) ironisch an den französischen Gelehrten d'Alembert: "Erlauben Sie mir, über den Widerruf des Ediktes von Nantes anders zu denken als Sie: Ich danke Ludwig sehr dafür und wünsche nichts weiter, als daß der König von Frankreich das Edikt von Nantes noch einmal widerrufe!"

1771 (14.07.) Pfarrer Daniel Andersch stirbt in Judtschen.

1771 (06.08.) Pfarrer Johann Christoph Müller wird als Nachfolger ernannt.

1786 Friedrich II. stirbt und Friedrich Wilhelm II. (1786 - 1797) wird Regent.

1787 (14.8.) Vertrag zwischen den Kirchenvorstehern der franz. Gemeinde und dem Prediger Müller, darüber den franz. Gottesdienst aufzuheben, da es niemanden gibt, der nicht auch der dt. Sprache mächtig ist.

1797 stirbt Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III. (1797 - 1840) wird König von Preußen.

1800 endet beginnt Pfarrer Christian Daniel Henning seine Tätigkeit in Judtschen.

1804 erhält die Kirche eine Orgel und zuletzt drei Glocken.

1804 - 1812 ist Pfarrer Karl Georg Kretschmar adjunkt neben Müller in Judtschen tätig und als 1812 Müller stirbt, übernimmt er die Stelle voll.

1807 (Januar) Luise, 1. Königin von Preußen (? 10.3.1776 in Hannover, †&xnbsp;19.7.1810 in Hohenzieritz bei Neustrelitz), verheiratet 1793 mit dem späteren König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, flieht mit ihrer Familie nach Memel.

1807 Gumbinnen wird durch die Division des französischen Marschalls Ney besetzt.

1807 verhandelt Königin Luise erfolgreich mit Napoleon in Tilsit (Tilsiter Friede).

1808 führt die sprachliche Angleichung der Hugenotten an die deutschsprachige Bevölkerung im Kreis Gumbinnen zur Vereinigung der französisch reformierten mit der deutsch reformierten Gemeinde, und in den Kirchen feiern fortan Reformierte (Calvinisten) und Lutheraner gemeinsam das Abendmahl. Der letzte französisch predigende Pfarrer Gossauer geht nach Potsdam. Die Calvinisten halten jedoch nach wie vor an ihrer Überzeugung fest, daß beim Abendmahl Brot und Wein den Leib und Blut Jesu-Christi bedeuten, nicht aber wirklich sind, wie es die Lutheraner glauben. In dieser Frage gibt es keine Angleichung, und es entstehen Misshelligkeiten, die in zunehmendem Maße zu Vorbehalten der Calvinisten führen. Ihrem Widerstand ist es zu verdanken, dass die reformierten Gemeinden es schließlich durchsetzen konnten, dass dem Konsistorium für die Besetzung ihrer Pfarrstellen nur Kandidaten reformierten Bekenntnisses vorgeschlagen werden durften.

1809 Bereits mit dem Einmarsch der napoleonischen Armee in Preußen und dem Zusammenbruch des preußischen Staates wird die Sonderstellung der französischen Kolonie in Frage gestellt. In Berlin wird im Zuge der preußischen Städtereform die französische Kolonie aufgelöst. Mit der Kabinettsorder vom 30.&xnbsp;Oktober 1809 garantiert allerdings der König der französisch reformierten Gemeinde jedoch ausdrücklich religiöse Freiheit und bisherige Rechte.

1812 Napoleon führt die 'Große Armee' in den russischen Feldzug. Vom 18. bis 21. Juni lagern die französischen Truppen in Gumbinnen. Napoleon selbst wohnt in dem Gebäude, in dem später die Freimaurerloge ihren Sitz nimmt.

1812 Karl Georg Kretschmar wird Pfarrer in Judtschen.

1813 - 1815 Die Freiheitskriege, Yorck von Wartenburg und Freiherr vom Stein rufen die Ostpreußen zur Volksbewaffnung auf, bevor noch Friedrich Wilhelm III. darüber eine Entscheidung getroffen hatte. In der Völkerschlacht bei Leipzig wird dann Napoleons Schicksal besiegelt. Nach dieser bedeutenden Schlacht und nachdem General Yorck die Neutralitätskonvention mit den Russen schließt, binden sich stärker als je zuvor preußisches Staats- und deutsches Nationalgefühl, eine der Voraussetzungen für die spätere Reichsgründung von 1871.

1814/1815 In dem nach den Napoleonischen Kriegen durchgeführten Wiener Kongress gewinnt Preußen seine alte Großmachtstellung zurück.

Zwischen 1815 und 1840 entwickelt sich Preußen infolge Rationalisierung der Landwirtschaft, Förderung des Verkehrs und des Gewerbes derart, dass sich seine Einwohnerzahl von 10 auf 16 Millionen vermehrt und in den Ostprovinzen sich sogar verdoppelt. Trotzdem wird die Bevölkerung infolge zunehmender Spannungen zwischen dem national und liberal gesinnten Bürgertum einerseits und der preußischen Monarchie andererseits von einer gefährlichen Verdrossenheit erfaßt. Es kommt zu Pressezensuren und 'Demagogenverfolgungen'. Die Spannungen vertiefen sich unter Friedrich Wilhelm IV. (1840 - 1861).

1817 Union zwischen Lutheranern und Reformierten in Preußen. Die Vereinigung und Integration erfolgt jedoch nicht sofort. So reicht die reformierte Tradition und Treue zur Glaubensüberzeugung bis in die Jahre um 1840. So wird in der Familie Schinz aus Judtschen folgendes berichtet: "König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1840 - 1861) war bemüht, die lutherische und kalvinistische (ref.) Lehre zur uniierten Kirche zu vereinigen. Als damals in Judtschen der reformierte Prediger starb, schickte er einen lutherischen Pfarrer dorthin. Hierbei handelte es sich um Pfarrer Eduard Dodillet (tätig 1839 - 1861). Nach alter Tradition ging die Familie Schinz am Gründonnerstag zum Abendmahl. Entgegen der reformierten Lehre brannten die Altarkerzen. Johann Schinz (geb. 2.5.1814 in Judtschen, verh. mit Louise geb. Py, geb. 14.9.1808 in Judtschen, Hoferbe des dortigen Anwesens mit 63 Morgen u. 62 qm Ruten, Urenkel des Valentin Schinz (1719-1779) ) und sein Schwager Py ließen die Abendmahlfeier ablaufen, dann schritten sie zu den Kerzen, löschten sie und gingen erst dann mit ihren Familien zur Abendmahlfeier. Sie wurden wegen Störung des Gottesdienstes von den verschiedenen Instanzen des Gerichts bestraft, gaben aber den Kampf für die Reinheit der reformierten Lehre nicht auf und erzwangen eine Audienz beim König und sollen sinngemäß gesprochen haben: - 'Eure Majestät, unsere Vorfahren haben ihres Glaubens wegen ihre Heimat verlassen. Der Herr Gott hat uns durch Ihren Vorfahren, König Friedrich Wilhelm I. (1713 - 1740) eine neue Heimat gegeben. Nun wollen Sie uns unseren Glauben nehmen'. - Der König hob die Urteile auf."

1822 erfolgt durch Konsistorialrat Lürs aus Göritten die Insprektion der Neustädter Kirche in Gumbinnen und der Kirche in Judtschen.

1828 wird Pfarrer Wegener aus Walterkehmen interiministischer Verwalter der Superintendantur Gumbinnen, mit Alt- und Neustadt Gumbinnen und Judtschen übertragen. Die Aufsicht der ref. Gemeinden wurde erteilt, da diese der Kirchenunion beigetreten waren.

1830 (19.02.) Pfarrer Karl Georg Kretschmar stirbt in Judtschen.

1830 (20.02. - 04.08.1731) die Pfarrstelle ist vakant.

1831 (05.08.) übernimmt Pfarrer Dr. Johann Franz Albert Gillet die Pfarrstelle Judtschen.

1834 (31.07. Pfarrer Gillet wird nach Interburg berufen.

1831 (01.08.-1836) die Pfarrstelle ist vakant.

1836 - 1838 Pfarrer Adolf Keßler ist in Judtschen tätig.

1839 Pfarrer Eduard Dodillet wird Pfarrer von Judtschen, wo er bis 1861 tätig ist.

1848/1849 bricht die Revolution aus und die Auseinandersetzungen um die Frage eines großdeutschen oder kleindeutschen Nationalstaates finden ihren Höhepunkt. Es wird die preußische konstituierende Nationalversammlung gebildet. Doch wie überall in Deutschland, wird auch in Preußen die Revolution nicht vorangetrieben. Friedrich Wilhelm IV. lässt 1848 in Berlin Militär einrücken und löst die Nationalversammlung auf.

1858 übernimmt Wilhelm I. die Regentschaft für seinen erkrankten Bruder Friedrich Wilhelm IV. und lässt sich 1861 in Königsberg i.Pr. als König von Preußen krönen.

1860 wird die Ostbahn, die von Königsberg über Insterburg und Gumbinnen nach Eydtkuhnen führt errichtet. Judtschen erhält einen Bahnhof, unweit davon wird über die Angerapp eine Brücke errichtet. Der Ort ist dadurch mit der weiten Welt verbunden.

1861 Pfarrer Johann Wilhelm Muttray übernimmt die Pfarrstelle Judtschen.

1866 (beginn am 16. Juni) Krieg zwischen Preußen und Österreich. Den Anstoß dieser Auseinandersetzung bot die staatsrechtliche Stellung der Herzogtümer Schleswig und Holstein, die Preußen und Österreich nach dem 1864 gewonnenen deutsch-dänischen Krieg gemeinsam verwalteten. Der Krieg endet mit dem Sieg Preußens und dem am 23. August 1866 in Prag geschlossenen Friedensvertrag.

1867 entsteht der Norddeutsche Bund. Schleswig-Holstein, Hessen-Nassau werden preußische Provinzen und Preußen hierdurch zur weitaus größten Macht im Norddeutschen Bundesstaat.

1883 (01.04.) Pfarrer Traugot Eduard Philipp Kalinowski übernimmt die Pfarrstelle in Judtschen.

1885 Pfarrer Georg Eugen Peter Henkys ist nur wenige Monate als Pfarrer in Judtschen tätig.

1885 Pfarrer Otto Theodor Bernhard Petrenz übernimmt die Pfarrstelle Judtschen.

1910 Pfarrer Georg Max Lehmann übernimmt die Pfarrstelle Judtschen

1914 (28.06.) Der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand wird durch serbische Nationalisten in Sarajevo ermordet.

(28.07.) Beginnt der 1. Weltkrieg.

(30.07.) Russische Generalmobilmachung.

(01.08.) Deutsche Generalmobilmachung und Kriegserklärung an Rußland. Die Njemen- oder Wilna-Armee unter General v. Rennenkampf und die Narew-Armee unter General v. Samsónow rücken in Richtung Ostpreußen vor, das vorübergehend unter russische Besatzung kommt. Das Hauptquartier des russischen Generalissimus Großfürst Nikolai Nikolajewitsch befindet sich in Baranowitschi. Das Deutsche Reich hat im Osten außer den örtlichen Einheiten in Königsberg i.Pr. und Thorn nur die 8. Armee (vier Korps) unter General von Prittwitz und Gaffron unter Waffen.

(17.08.) Siegreiches Gefecht gegen die russische Njemen-Armee bei Stallupönen.

(20.08.) Gefecht bei Gumbinnen, anschließend drei Wochen (ab 22.8.) russische Besetzung von Gumbinnen. Ostpreußen muss zwischen Gumbinnen und Königsberg i.Pr. geräumt werden. Es folgen Verwüstungen der Ortschaften, Greueltaten der Russen gegen verbliebene Bewohner, sowie Plünderung oder Vernichtung ihrer Habe.

(22.08.) Von Hindenburg (1847 - 1934) wird Oberbefehlshaber und Ludendorff (1865 - 1937) wird Generalstabschef der VIII. Armee.

(24.08.) wird beim Einrücken der russischen Truppen die Kirche mutwillig niedergebrannt. Die alte Turmspitze hatte eine Höhe von ca. 52 m und wird nach dem Wiederaufbau niedriger und breiter gestaltet. Der Gottesdienst findet in der Übergangszeit zunächst in der Schulklasse statt. Der Raum, der nur 60 Personen fasst, ist bei der ca. 2.000 Seelen starken Gemeinde unzulänglich. Daraufhin zieht die Gemeinde im Oktober 1915 in den Saal des Gasthauses Sinnhuber um. Heiraten finden zu dieser Zeit in der Kirche des lutherischen Ischdaggen statt.

(26.08. - 31.08.) Schlacht bei Tannenberg.

1925 Es erfolgt der Wiederaufbau der Kirche.

1926 Pfarrer Karl Friedrich Gaser übernimmt die Pfarrstelle Judtschen.

1934 - 1936 Die Pfarrstelle in Judtschen ist vakant.

1936 Pfarrer Theodor Schulz wird als zunächst als Hilfsprediger in Judtschen eingesetzt, bevor er die Stelle ganz erhält.

1938 (03.06.) Der Ort Judtschen wird in Kanthausen umbenannt.

1942 (01.07.) Pfarrer Theodor Schulz hält seine letzte Predigt in Judtschen, bevor er wieder als Seelsorger an der Ostfront eingesetzt wird. Er wird dort am 23.7. tödlich verwundet.

1942 - 1945 Die Pfarrstelle Judtschen bleibt vakant.

1944 (21.10.) Ende der Pfarrei und Gemeinde.

1945 Die Kirche wird im 2. Weltkrieg kaum zerstört. Sie wird wirtschaftlich genutzt.

1985 Die letzten Reste werden von der Armee abgetragen. Die Steine werden zum Straßenbau verwendet. Lediglich das Pfarrhaus ist heute noch teilweise erhalten. Von der Ortschaft selbst (heute Wesselowka), ist nur noch ca. 30% der alten Häuser und Höfe erhalten.